Zur Zucht der weißen, der gescheckten und der
Maskenkatzen
Nach gründlichen Recherchen innerhalb des RVDE e.V., Bearbeitung von Literatur
neueren Datums, in Gemeinschaftsarbeit mit Züchtern, die jahrelang Katzen der
Farbe weiß züchten, sowie in Kontakt mit anderen Zucht- verbänden weltweit,
stellte sich ganz klar heraus, dass ein Zuchtverbot für weiße Katzen nicht
akzeptiert werden kann!
Unbewiesene Theorien wurden als Fakten dargestellt und darauf wurden
Empfehlungen für Zuchtverbote aufgebaut! Bisher konnte noch keine unabhängige
Kapazität auf dem Gebiet der Haustierzucht und/oder -genetik wissenschaftlich
exakt darlegen bzw. den unanfechtbaren wissenschaftlichen Nachweis erbringen,
wie die Taubheit bei Katzen und Hunden vererbt wird.
Bisher hat es weltweit
keine groß angelegten, langfristigen Zuchtversuche
innerhalb der einzelnen Katzenrassen gegeben. Es sind nicht ausreichend viele
Tiere der einzelnen Rassen untersucht worden, um eine konkrete Auswertung
vornehmen zu können. Die Zuchtversuche innerhalb der Forschung, die es bei
weißen Katzen in der Vergangenheit gegeben hat, geschahen aus einem ganz anderen
Grund:
Man wollte lediglich beweisen, dass die Taubheit vererbt werden kann - ja, es
wurden sogar gezielt taube Katzen gezüchtet!
Diese Zucht (?) verurteilen wir Hobbyzüchter aufs Schärfste - ja, so ein
Vorgehen muss sogar unter den § 11b des Tierschutzgesetzes fallen. Dieses
beweist, dass sich bei diesen Verpaarungen offensichtlich niemand für die Leiden
dieser Tiere interessiert hat. Es wurden gezielt behinderte Katzen gezüchtet!
Taubheit bei Katzen kann vererbt oder erworben sein und auf Innenohr- oder
Schalleitungsdefekten beruhen. In einigen Fällen entsteht sie auch nach
chronischen Mittelohrentzündungen oder extremen Parasitenbefall. Auch eine große
Anzahl von Medikamenten oder Chemikalien können Zellen der Schnecke im Innenohr
zerstören: hier sind insbesondere die Antibiotika aus der Gruppe der
Aminoglykoside zu nennen. Altersbedingter, fortschreitender Verlust des
Hörvermögens kann ebenfalls zu völliger Taubheit führen. In anderen Fällen von
Taubheit bei Katzen, hauptsächlich bei dominant weißen Katzen, handelt es sich
um die vererbte Form, die kurz vor oder nach der Geburt zu einer Degeneration an
der äußeren Seite der Schnecke im Innenohr führt.
Es ist jedoch sehr wenig über die Art der Vererbung angeborener Taubheit
bekannt:
Sie ist weder dominant, noch rezessiv, noch geschlechts- gebunden, sondern
wahrscheinlich polygenetisch.
Das Risiko, taube Jungtiere in einem Wurf zu erhalten, ist relativ hoch, wenn
beide Elternteile rein weiß sind, oder wenn mindestens ein Elternteil einseitig
oder beidseitig taub ist.
Seit einigen Jahren werden weiße Zuchttiere der audiometrischen Untersuchung
unterzogen; eine aufwendige und teure Angelegenheit, die wiederum die
engagierten Züchter bezahlen, um zu beweisen, dass ihre Tiere, mit denen sie
züchten, hörend sind.
Doch auch, wenn mit der Messung der Hörfähigkeit eine eindeutige Diagnose der
Taubheit evtl. möglich ist, so ist deshalb zur Ermittlung der genauen
Taubheitsursache eine ausführliche anamnesische Untersuchung der Katze
notwendig. Untersuchungen an experimentellen ertaubten Katzen (z.B. an der Med.
Hochschule Hannover für Versuche durch Neomycingaben) können im Ergebnis nicht
Grundlage für den § 11b des Tierschutzgesetzes sein.
Zur Zucht der Bicolour-
und Tricolour-Katzen sei gesagt, dass die Scheckung (Allel "S") mit dem Gen "W"
in keiner Weise konform "geht" und mit diesem "nicht in einen Topf geworfen
werden" kann und darf.
Zur Zucht der Maskenkatzen (Siam- und Colourpointkatzen) sei gesagt, dass in
deren Genpool das Gen "W" auch nicht "in Sicht" ist. Bei beiden Rassen spricht
man von Akromelanismus, d.h. Auftreten von Melanien an den Körperspitzen (Allel
"cs").
Eine große Umfrage seitens des RVDE e.V. ergab im Ergebnis - nicht ein Fall von
Taubheit!! Auch in diesem Fall ist die unbewiesene Theorie - alle Katzen mit
"Weiß" gehören in die Sparte der weißen Katzen - überhaupt nicht relevant!!!
Das Weiß-Gen (Allele: W,w)
Bei der Weiß-Vererbung handelt es sich wieder
einmal um einen Fall, bei dem das mutierte Allel (W) dominant über das
Wildtyp-Allel (w) ist. Farblosigkeit ist eine Defekt-Mutation mit weitreichenden
physiologischen Auswirkungen. Das W-Allel ist nicht nur dominant, sondern sogar
epistatisch über sämtliche Farbgene. Dieses und die zusätzlichen Defekte im
Zusammenhang mit dem Weiß-Gen sind durch die primäre Genwirkung zu erklären, die
das dominante Weiß deutlich von dem Albino-Weiß (ca, c) abgrenzen.
Dominant weiße Katzen (W/W oder W/w) sind ohne jegliche Farbschattierung.
Lediglich bei Jungtieren ist manchmal auf dem Kopf zwischen den Ohren ein
Fleckchen oder auch nur ein Schatten von farbigem Fell zu finden, was eventuell
Rückschlüsse auf den unter dem epistatischen Weiß verborgenen Genotyp zulässt.
Diese Farbflecke verschwinden jedoch immer mit steigendem
Lebensalter. Der Nasenspiegel und die Fußballen sind ziegelrot. Die Augen sind
entweder (tief-) blau, dunkelorange bis kupferfarben, oder das eine Auge ist
blau und das andere orange (odd-eyed).

Manche weiße Katzen sind taub. Entweder einseitig
oder beidseitig.
Die Grundlage für den ganzen Komplex an Störungen
liegt in der Embryonalentwicklung und zeigt
eine gewisse genetische Verwandtschaft mit der Weiß-Scheckung. Nur dass durch
die Wirkung des W-Allels die primären Melanoblasten vollständig und dazu noch
bestimmte Neuroblasten an der Auswanderung (Migration) aus dem Neuralrohr
gehindert werden. Damit gibt es an der Körperoberfläche überhaupt keine und in
Bereichen, die unmittelbar oder mittelbar mit dem Zentralnervensystem
zusammenhängen (z.B. Auge, Innenohr und Gleichgewichtsorgan), nur noch eine
verminderte Anzahl an Pigment bildenden Zellen.
Da in diesem Fall auch die Migration von Neuroblasten behindert ist, sind
bestimmte Sinnesorgane von einem Mangel an Nervenzellen betroffen. Die
Parallelen in der Entstehung der Scheckung und des dominanten Weiß haben die
ersten genetischen Deutungsversuche in die Irre geleitet. Zuerst wurde das
W-Allel als ein drittes Allel des Scheckungsgens angenommen. Dies wurde Ende der
sechziger Jahre korrigiert und für das dominante Weiß ein unabhängiges Gen mit
zwei Allelen bewiesen. Das dominante Weiss ist ein eigenständiges Gen mit einem
dominant-epistatischen Allel W (W/W, W/w oder W/- = weiss) und einem rezessiven
Wild-Typ-Allel w (w/w = alle Farben).
Da es sich bei dem dominanten Weiß um eine
frühembryonale Entwicklungsentgleisung handelt, ist auch die Epistasie über alle
Gene verständlich, die auf funktionierende Melanoblasten und ungestörte
Neuroblasten angewiesen sind. Damit hängen an dem dominanten Weiß noch eine
ganze Reihe von Veränderungen:
Eine gravierende Veränderung spielt sich auch im Augenhintergrund ab. Dort
befindet sich normalerweise das Tapetum lucidum. Dieses ist eine stark
reflektierende Schicht, durch die der zweimalige Durchgang eines Lichtstrahles
durch die Netzhaut erzwungen wird. Sie passieren also zweimal dieselbe Stelle
auf der Netzhaut und werden beide Male auch an demselben Ort registriert. Dies
ergibt ein doppelt so helles Bild. Das ist besonders für das Dämmerungssehen
ausschlaggebend. Bei weißen, blauäugigen Katzen kann das Tapetum lucidum
vollständig fehlen.
Missbildungen des Innenohres und daraus resultierende Gleichgewichtsstörungen,
Schwerhörigkeit oder gar Taubheit:
Die mit der
Farblosigkeit gehäuft auftretende Taubheit stellt sicherlich das größte Problem
dar. Taube oder schwerhörige Katzen zeigen oft ein total gestörtes
Sozialverhalten, da sie auf Fernsignale wie Fauchen oder Knurren nicht oder nur
unangemessen reagieren können. Was hat aber der Gehörverlust mit gestörtem
Migrationsverhalten der Neuro- und Melanoblasten zu tun?
Auch das Innenohr (akustisches Organ) und der Gleichgewichtssinn (statisches
Organ) sind durch den Nervus statoacusticus (VIII. Gehirnnerv) eng miteinander
und mit dem Zentralnervensystem gekoppelt. Beim Gehör werden Schallwellen über
das äußere Ohr und das Mittelohr auf ein Fenster des Innenohrs übertragen. Dort
versetzen sie einen mit Flüssigkeit gefüllten Teil des Hörorgans (Schneckengang
= Cochlea) in eine Wellenbewegung. Mit Hilfe einer feinen Membran werden durch
diese Wellenbewegung Sinneshaare gereizt, was den eigentlichen Hörvorgang
darstellt.
Das Gleichgewichtsorgan besteht aus ebenfalls mit Flüssigkeit gefüllten
Bogengängen. Wird der Kopf oder die ganze Katze bewegt, gerät auch die
Flüssigkeit in Relation zu den Bogengängen in Bewegung. Mit Hilfe von
steinchenartigen Gebilden, die auf den Sinneshaaren liegen und durch die
Bewegung der Flüssigkeit in Schwingung geraten, werden Lageveränderungen des
Kopfes und/oder des Körpers registriert. Beide Organe sind auf bestimmte
Nervengewebe und auf Sinneshaare mit bestimmten physikalischen Eigenschaften
angewiesen. Haare und Sinneshaare erhalten durch die Pigmenteinlagerung erst
ihre endgültige Stabilität. Ungefärbte Haare sind dünner und weicher und können
ihre Funktion als Sinneshaar gar nicht oder nur unvollständig
erfüllen. Über diesen Mechanismus sind dominantes Weiß, Taubheit und
Gleichgewichtsstörungen miteinander verbunden.
Im Hinblick auf die
Problematik der mit dem dominanten Weiß verbundenen Defekte, sollte man meiner
Meinung nach wirklich überlegen, ob auf die Zucht weißer Katzen über das
Weiß-Gen nicht verzichtet werden sollte. Gesunde weiße Katzen könnte man nämlich
auch über das Inhibitor-Gen (I) und gegebenenfalls auch über das
Blue-eyed-Albino-Allel (ca) züchten.
Claudia Schellhammer
|